Ich wollte mich nicht auf dieses Gebiet begeben, aber wir müssen darüber sprechen. Frauen und ihre Orgasmen sind hochpolitische Themen. Im Gegensatz zu den Männern, die halt Orgasmen haben, diskutieren wir bei Frauen teilweise immer noch darüber, ob sie überhaupt einen haben wollen.

Weil ist ja alles gar nicht sooo wichtig. Klar, als ich in Mathe dauernd Fünfer geschrieben habe, habe ich meiner Mutter auch klarmachen wollen, dass Mathe eigentlich gar nicht sooo wichtig sei.

Was mich jedoch am allermeisten aufregt, sind die Diskussionen, in denen sich Männer dazu berufen fühlen, von allerlei abgefahrenen Techniken zu erzählen, wie ihre Frauen zum Orgasmus kamen.

Bei der musstest du nur die Nippel massieren.

Die kam während eines Blowjobs.

Die hat literweise gesquirtet.

Die hatte eine eingebaute Bluetooth-Soundanlage.

Nee, halt. Da ging es um das neue Auto. Leckerli, wer die Parellelen erkennt.

Was alle Techniken gemein haben: wenig Zeit- und Arbeitsaufwand für den Mann. Toll, oder? Leider haben viele Frauen die blöde Angewohnheit, etwas vorzutäuschen, was gar nicht da ist. Deshalb ist mein erster Gedanke bei solch wundersamen Schilderungen: Ah, der hatte eine dieser Schauspielerinnen in der Kiste. Ich war selbst jahrelang eine tolle Schauspielerin und viele Männer aus meiner Vergangenheit hätten sicherlich ähnliche Phantasmen über mich zu erzählen.

Was nicht heißt, dass die oben genannten Dinge nicht im Bereich des Möglichen liegen. Das Problem ist einfach: Diese männlichen Schilderungen lassen sich nicht verifizieren. Ich glaube solche Dinge erst, wenn ich live dabei bin. Und da ich öfter mal mit Frauen vögel oder mit ihnen über Sex spreche, kann ich ehrlich sagen, dass ich noch nie live dabei war. Mag sein, dass ich schrecklich mies im Bett bin. Auch das liegt im Bereich des Möglichen

Andererseits ist es mir sowas von schnuppe, wie eine Frau (oder ein Mann) letztendlich zum Orgasmus kommt. Jeder Körper funktioniert anders und sobald man das Orgasmusverhalten in leicht und schwer einteilt, bekommt das für mich einen Beigeschmack, den ich nicht mag.

Denn das schlägt (zumindest bei mir) in eine Kerbe, die viel mit dem anerzogenen Verständnis von Weiblichkeit zu tun hat. Ich als Frau möchte natürlich möglichst leicht zum Orgasmus kommen. Frauen sind schließlich schon kompliziert genug, bekommen wir ja jeden Tag gesagt. Wir wollen dem Mann keine Arbeit machen, ihn nicht vor den Kopf stoßen, wenn seine tollen Schwanzbewegungen eben nicht den gewünschten Effekt (Orgasmus) haben. Man will nicht zu den Frauen gehören, die „nur“ klitoral kommen. Das sind doch die, die sich halt nicht richtig entspannen können?

Oben schrieb ich, weibliche Orgasmen seien ein hochpolitischen Thema und ihr dachtet wahrscheinlich: Ach, die Marie übertreibt wieder.

Nein, denn an unserem Umgang mit Orgasmen wird vieles deutlich, was meiner Meinung nach gewaltig schief läuft zwischen den Männern und den Frauen. In vielen Köpfen ist ein Orgasmus immer noch eine Bestätigung für den Mann. Das offizielle Siegel für: Du bist ein guter Kerl. Prima gemacht!

Warum machen sich Männer auf diese Weise abhängig von der Körperreaktion einer Frau?

In der Gegenwart mancher Männer fühle ich mich wie das Frauchen eines Hundes. Er sitzt vor mir und wartet, dass ich – in Form eines Orgasmus – endlich meine Zufriedenheit mit seinem Verhalten ausdrücke. Selbst extrem dominante Männer entspannen sich mitunter erst in dem Moment, in dem sie dieses non-verbale „prima“ von mir hören.

Wir alle sehnen uns nach Anerkennung und eine zuckende Frau ist eine ganz wundervolle Art der Anerkennung. (Weiß ich selbst.) Trotzdem sollte man sich als sexuell unabhängiges Individuum von diesem Denkmuster befreien. Es führt im Endeffekt dazu, dass Frauen weniger authentisch agieren, weil in sich gekehrte Ekstase nicht dieselbe Zufriedenheit bei Männern auslöst wie wilde Schreie. Doch die wilden Schreie sollten nicht der alleinige Mittelpunkt für geilen Sex sein. All das lässt sich im Zweifel vortäuschen. Der Mittlepunkt sollte das sein, was sich tief in uns drin abspielt: die Gefühle, die Ekstase, die Wolllust, das Verlangen und die pure Geilheit. Wir konzentrieren uns zu oft auf die Show, anstatt auf das zu achten, was sich hinter der Bühne abspielt.

Um dahin zu kommen, müsste man allerdings in die Kommunikation gehen. Das macht verständlicherweise Angst und trotzdem gewinnt man dadurch eine Form der Initmität, die einem kein Orgasmus der Welt geben kann.

Was ich bei vielen Männern beobachte, ist eine – ich nenne es mal – stark ausgeprägte Spiegel-Sexualität. Sex ist dann gut, wenn er für die Frau gut war. Die Frau ist der Maßstab, an dem das eigene Vergnügen gemessen wird. Stöhnt und schreit sie nicht, löst das eine Krise aus. Wenn ich das so schreibe, will ich den Männern keineswegs ihre Freude nehmen, die sie empfinden, wenn eine erschöpfte und befriedigte Frau neben ihnen liegt.

Ich möchte vielmehr fragen: Wie war es für dich? Ja, für dich ganz persönlich! Waren ihre Berührungen angenehm und geil für dich? Konntest du dich fallenlassen, deine Geilheit spüren? Wie hat sich dein Schwanz gefühlt, als er in ihrem Mund war? Hattet ihr einen guten Kontakt zueinander? War dein Orgasmus erfüllend für dich? Welche Praktiken haben dir gefallen?

Solche Fragen werden nur sehr selten gestellt und ich finde das unglaublich schade. Ich finde einen Mann, der auf diese Weise präsent in seinem Körper und seiner Lust ist, deutlich anziehender als einen, der mir sagt: „Am wichtigsten ist für mich, wenn es dir Spaß macht.“ Da weiß ich, dass ich wieder Frauchen spielen muss.

Ich mag Hunde, keine Frage.

Aber echte Männer sind mir lieber.

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Diskussion

  • Kommentatoren-Avatar
    skywalkerlein — 12. Juli 2018 um 20:28

    Das ist echt interessant.
    Von den meisten Frauen habe ich bisher gehört, dass ihre Männer egoistisch sind, ihr Ding durchziehen und die Frauen dann gucken müssen wie sie fertig werden.
    Ja, der Ausdruck „fertig werden“ oder „hab mich noch an ihm gerieben“ ist öfters gefallen.
    Allerdings habe ich auch egoistische Frauen kennengelernt, die , nachdem sie ihren Höhepunkt erreicht hatten, die Arbeit eingestellt haben.
    Ich schreibe das bewusst so. Es soll zeigen, dass es einfach an den Typen liegt und nicht an Mann oder Frau. Wenn beide gut harmonieren und sich fallen lassen können, dann darf es auch jedem mal wichtiger sein, dass der andere einen tollen Orgasmus hat.
    Mir persönlich ist meine eigener Orgasmus nicht so wichtig. Mein Höhepunkt ist der Zeitpunkt kurz davor und den möchte ich so lange wie möglich erleben. Ich warte gerne auf die Frauen und genieße ihren Orgasmus.
    Einige haben mich auch schon gefragt ob ich auch auf meine Kosten gekommen bin und ich kann das nur bestätigen.
    Trotzdem kommt es aber auch vor, dass ich mal egoistisch bin. Das sollte jeder mal beim Sex sein, wenn die Gier gestillt werden muss. 😉

    • Kommentatoren-Avatar
      herzinfuckedblog — 13. Juli 2018 um 09:11

      „Fertig werden“, „Arbeit (einstellen)“, „auf seine Kosten kommen“ … interessante Formulierungen, die mich eher an meinen Job erinnern als an eine entspannende Tätigkeit wie Sex 😃 Und vielleicht liegt auch genau hier der Grund begraben, warum wir das Gefühl haben, uns abmühen zu müssen.

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    Pendolino70 — 13. Juli 2018 um 00:01

    Nach Orgasmus drängt,
    Am Orgasmus hängt
    Doch alles. Ach wir Armen!

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    Herr Twoflower — 13. Juli 2018 um 01:18

    Manchmal darf es auch einfach nur schön sein.

    Nackt lag sie da. Eingekuschelt in eine flauschige Decke, den Sternenhimmel betrachtend. „Es war wunderschön. Diese Nacht werde ich niemals vergessen.“

    Diese Empfindung war mir mehr wert als tausend Orgasmen.

    Ich hätte in ihrem Mund kommen dürfen, ich tat es nicht. Es hätte einfach nicht zu dieser Situation gepasst. Manchmal achtet man auch auf das Gesamtbild. So wurde es nur auf ihre Brust.

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      herzinfuckedblog — 13. Juli 2018 um 09:12

      Ist eine Ejakulation in den Mund weniger schön als woanders hin? Warum?

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        Herr Twoflower — 13. Juli 2018 um 09:19

        Weil diese Nacht anders verlaufen ist, als sie es sich wohl vorstellte, sie Schläge erwartete, das ihr gewohnte Bild von Schlägen, das Kommen im Mund. Ich muss dazu mal einen Blog schreiben. Sie, die Masochistin,

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        Herr Twoflower — 13. Juli 2018 um 09:24

        Sie. die Masochistin, lag mit dem Köpfchen auf meinen Schenkeln, das immer und immer gehoben wurde, um Küsse zu empfangen, während meine Finger, es mag keiner glauben, stundenlang mit ihr spielten. Da passte es einfach nicht ins Bild, denn diese Komposition sollte anders sein. Am Ende sah sie sogar eine Sternschnuppe. Aber ich gebe Dir recht, es hätte auch etwas gehabt, im Mund zu kommen, um anschließend unser beider Saft mit unseren Zungen zu vermengen.

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    Mastergunter — 13. Juli 2018 um 10:26

    Es ist schon interessant zu lesen: „Ding durchziehen, sehen wie sie fertig wird“. Alles Dinge beim Sex, die in jungen Jahren zutreffen sind. Erst mit dem reifer werden,dem Verständnis, das guter Sex immer aus einem Nehmen und Geben besteht, ist die Frage nach dem weiblichen Orgasmus von Bedeutung. Beide müssen lernen ihren Höhepunkt zu erkennen und zu durchleben. Das sind ganz neue Erfahrungen. …und dann erst kann der, und sollte der Mann, nein er muß , auf die Bedürfnisse und die Befriedigung siner Partnerin eingehen. Hier spielt aber dann auch der Kopf eine entscheidende Rolle. Die Chemie muß zwischen beiden stimmen. sie müssen sich wohlfühlen, vom anderen jeweils angenommen sein. Dann kann ich als Mann auch meine Bedürfnisse in Bahnen lenken und mit ihr zu einem gemeinsamen Höhepunkt kommen.Nur der reine Sex als Akt wird, jedenfalls ist das meine Erfahrung, keinen Orgasmus auslösen.

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    Felis — 13. Juli 2018 um 15:36

    Interessante Sichtweise.
    Zum einen kenne ich das auch, die Erwartung einen Orgasmus zu haben. Dieses Beobachten, dieses Nachfragen, ob oder ob nicht.
    Ich habe dabei aber nie das Gefühl gehabt, dass es auf irgendeiner Ebene um mich ging, was ich toll fand. Ich hatte eher das Gefühl ich müsse performen um eine Bestätigung zu geben, wie toll der Hecht war. Was mir wirklich gefiel: Nebensache.
    Andererseits wenn ein Partner nicht kommt amche ich mir auch einen Kopf, Frage nach, habe Angst.
    Definitiv hast du Recht und wir sollten entspannter mizeinander umgehen, mehr auf das was da zusammen passiert konzentrieren. Hochpolitisches Thema, auf jeden Fall danke für den Text.

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    gentlesad — 1. August 2018 um 16:27

    Hallo Marie,
    Mal eine Frage, wie würdest Du Dich fühlen, wenn er gar keinen Orgasmus hätte, der Sex mit ihm aber unbeschreiblich gut war?
    Meine Orgasmen finden fast ausschliesslich in meinem Kopf statt, ich bin wie ein Querschnitt gelähmter, ohne Querschnittlähmung 😉
    Also muss ich doch auf den Orgasmus der Frau warten, und dieser löst in mir mein Orgasmus im Kopf aus. Ist das für Dich nicht männlich? Es gibt doch auch Spielarten im BDSM, in denen er sie garnicht penetriert, da findet fast alles im Kopf statt und beide haben ein erfülltes Sexleben.
    Ich finde, Du siehst das ganze zu schwarz weiss, lass ihm doch seinen Spass, Deinen Orgasmus zu erleben.

    • Kommentatoren-Avatar
      Marie Moreau — 1. August 2018 um 16:40

      Wie würdest Du Dich fühlen, wenn er gar keinen Orgasmus hätte, der Sex mit ihm aber unbeschreiblich gut war?

      Ich würde zunächst nicht besonderes fühlen. Würde es öfter vorkommen, würde ich das Gespräch suchen.

      Also muss ich doch auf den Orgasmus der Frau warten, und dieser löst in mir mein Orgasmus im Kopf aus. Ist das für Dich nicht männlich?

      Das ist die Form der Spiegel-Sexualität, die mich persönlich (!) an einem Sexpartner stören würde. Wenn das für deine Partnerinnen okay ist, ist doch alles fein.

      Ich finde, Du siehst das ganze zu schwarz weiss, lass ihm doch seinen Spass, Deinen Orgasmus zu erleben.

      Es gibt einen gravierenden Unterschied zwischen:
      a) Cool. Du hattest einen Orgasmus. Ich freue mich mit dir.
      b) Endlich hattest du einen Orgasmus!!! Jetzt geht es mir auch gut. Ich dachte schon, ich sei mies im Bett.

      Sobald jemand seine Befriedigung komplett von meiner abhängig macht, bin ich raus.

      Ganz abgesehen davon lasse ich jedem seinen Spaß! In dem Artikel geht es um meine persönliche Sicht auf die Dinge und nicht etwa um eine Gebrauchsanleitung dafür, wie andere Menschen Sex haben sollen.

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    Karsten Kalbe — 9. Februar 2021 um 00:39

    Danke!
    Das war jetzt mal ein AHA Moment.
    Besonders dieser Satz im letzten Absatz. „Am wichtigsten ist für mich, wenn es dir Spaß macht.“
    So gesagt habe ich ihn noch nie, außerdem habe ich so verdammt wenig Erfahrung das ich die Chance sowas, ok dummes, zu sagen noch nie hatte.
    Ich würde auch eher theor. meinen, das ich weiß das mein Orgasmus eine ziemlich leicht zu erreichende nicht allzu langfristige Sache ist. Gelernt in immer nur Theorie habe ich aber das Frau, und jede anders, da nun einmal anders „tickt“. Das bloße Penetration sie nicht gerade dazu bringt. Gott sei dank denke ich das nicht wirklich!!
    Aber das ich mich so achten sollte wie Du es da beschreibst ist neu und es klingt richtig. Ich habe heute hier sehr viel gelernt und dafür danke ich Dir. Denn das wird mir nicht nur im Liebes- sondern auch im Leben ganz sicher einiges leichter machen.

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