Die Übergänge waren und sind schleichend. Und doch bemerke ich, wie sehr sich meine Phantasien und Praktiken verändert haben. Hat die Devotion in meinem Leben etwa ausgedient? Momentan sieht es danach aus.

In einem Gespräch mit einer dominanten Frau brachte ich es auf den Punkt: „Wenn ich mich sexuell nach unten begeben soll, höre ich in mir drin nur: nö!“ Sie nickte wissend, weil sie genau wusste, was ich damit meinte.

Selbst als Monsieur vor einigen Wochen wieder in mein Leben trat, war das anders als früher. Seine natürliche Dominanz ist faszinierend, aber sie ist nicht (mehr) mein Fixpunkt. Wenn ich die Augen schließe, sehne ich mich nicht danach. Wenn Monsieur mir schreibt, zaubert er mir ein Lächeln ins Gesicht. Ein Lächeln unter guten Freunden; nicht unter Dom und Sub.

Was mich bisher immer an der anderen Seite abschreckte: die Männer. Die submissiven Typen, mit denen man häufig konfrontiert wird, sind (privat) nichts für mich. Jemand, der sich ohne ein Wort mit mir gewechselt zu haben, vor meine Füße wirft, um meine Stiefel zu küssen, reizt mich nicht. Im Studio, ja. Da sind die Fronten geklärt. Und dort bringt es mir Spaß, sofort loszulegen. Ich kann in diesem Setting aus der Distanz heraus agieren, was mir einen großen Gestaltungsspielraum verschafft.

Aber für mich, für mein Herz, da bevorzuge ich das Subtile. Ich mag die Submission, die sich zwischen den Zeilen abspielt. Das ist sehr selten, denn die betreffenden Männer rennen nicht (wie die anderen) mit Halsband und Leine auf Fetisch-Partys rum.

Mit meinem Sub Filou dachte ich mich am Ziel. Leider hat sich unsere Beziehung in eine dysfunktionale Richtung entwickelt. Er nutzte seine ausgeprägte submissive Art unbewusst (!) dazu, sehr viel von mir zu fordern – vor allem emotionale Betreuung. Ich wurde zu seiner Therapeutin, ohne dass etwas für mich heraussprang. Das D/s wurde zu einem S/d. Er hatte Themen zu klären, bei deren Bewältigung ich ihm nicht helfen konnte und wollte. Ein sehr harter Schnitt meinerseits war die Folge.

Was ich dabei lernte: Submissive Männer können sehr energieraubend sein. Darauf reagiere ich allergisch, da jede Störung meines Energiehaushalts Konsequenzen für mein restliches Leben hat. Mehr Aufgaben, mehr Aufmerksamkeit, mehr Schläge, mehr Sessions – auf diesen Strudel darf man sich nicht einlassen, nur weil man eine dominante Frau ist und grundsätzlich Spaß an all diesen Dingen findet. Auch als Domme darf ich Grenzen haben. Ich habe einen Alltag und Bedürfnisse, die sich abseits des Sexuellen abspielen. Das darf nicht unter meinen BDSM-Aktivitäten leiden.

Es gab tolle Begegnungen auf Partys und im Studio. Danach fuhr ich jedes Mal nach Hause und mir war so sehr nach Nähe. Einmal hatte ich nach einer Session eine Verabredung mit dem Blonden. Ich sagte nur zu ihm: „Kannst du mich bitte ehrlich und aufrichtig umarmen?“ Nach den Partys gab es nichts Schöneres, als mit meinen Freunden auf der Couch abzuhängen. Die harte Trennung dieser beiden Welten hinterließ eine große Sehnsucht nach Ganzheitlichkeit.

Ich lernte wieder etwas: Ich werde erst tiefe Befriedigung erfahren, wenn ich dieser Sehnsucht Raum gebe; wenn ich mir erlaube, sie zu fühlen. Als Sub habe ich vor vielen Jahren einen ähnlichen Prozess durchlaufen. Ich gehöre zu den Menschen, die Herz und Pussy entkoppeln können. Dadurch erlebe ich vieles, was anderen verborgen bleibt. In den Welten, in denen ich mich bewege, braucht man eine gesunde Distanz zu dem, was um einen herum passiert. Trotzdem spürte ich, wie ich auch gegenüber mir selbst in die Distanz ging.

Ich zog mich etwas zurück. Sortierte die Schubladen in meinem Kopf.

Dann stand Vincent vor meiner Tür. Ein Mann, bei dem Herz und Pussy sehr laut ja sagten. (Damit wir uns richtig verstehen: Wenn ich hier „Herz“ schreibe, ist damit nicht zwingend romantische Liebe gemeint. Es ist ohnehin zu früh, darüber nachzudenken. Ich meine vielmehr: Seele, Innenleben, Sehnsüchte, Bauchgefühl … eben der Nicht-Verstand.)

So schön das war und immer noch ist: Ich stand vor einer neuen Herausforderung. Wie kann ich zu so jemanden gemein sein? Denn wenn es etwas gibt, das meine Dominanz gut charakterisiert, dann sind das die kleinen und großen Gemeinheiten, die ich mir ausdenke. Ich bin nicht der Typ für große Gesten und laute Worte. Die Werkzeuge, die ich besitze, sind überschaubar. Ich stehe/liege neben einem Sub, lächle ihn selig an und flüstere ihm etwas ins Ohr, das ihm die Schamesröte ins Gesicht treibt und seinen Schwanz zum Tropfen bringt – ohne dass ich selbst auch nur mit der Wimper zucke. Oder ich teste mit dem Rohrstock, wie viel sein Schwanz aushält. Natürlich nur aus ehrlichem Interesse an seiner Leidensfähigkeit. Nicht etwa, weil ich sadistisch bin und Spaß dabei empfinde, wenn sich jemand vor Schmerzen windet. Ich schweife ab. Zurück zu Vincent.

Unser erster Sex: durch und durch Vanilla. Ich konnte nicht anders. Ich war völlig blockiert. Besser gesagt: Ich blockierte mich selbst, denn dieser Sex war streng genommen ganz wunderbar.

So ganz komme ich nicht dahinter: Warum kann ich einen fremden Mann behandeln, bis er blutet, und bei Vincent traute ich mich nicht mal, seinen Schwanz abzubinden?

Manches liegt in meiner eigenen Form der Submission begründet. Rückblickend tat ich vieles, um Anerkennung zu bekommen. Ob ich beispielsweise Deep Throat bis kurz vorm Kotzen oder Analsex ohne Aufwärmen wirklich geil fand (finde), bezweifle ich. Das waren Instrumente, um zwei Ziele zu erreichen: 1) das Machtgefälle zu festigen und 2) mein Adrenalin so hoch zu pushen, dass ich im Laufe der Session in einen Rausch geriet. Beides hat seine Berechtigung, keine Frage. Doch von 100 Sessions empfand ich diese Praktiken vielleicht in fünf Session wirklich geil. Im Sinne von sexuell stimulierend. In den restlichen 95 Sessions habe ich meine Zweifel ignoriert und mir gedacht „wird schon“. Von den körperlichen Verletzungen, die ich davontrug, mal ganz abgesehen.

Wenn ich einen einzigen Wunsch an einen Sub habe, dann dass er niemals seine Zweifel ignoriert. Das würde mich auf einer Ebene verletzen, die aufgrund meiner eigenen Erfahrungen als devote Frau vielleicht niemals heilen wird. Daher agiere ich so, wie ich agiere. Meine Vergangenheit hat mich geprägt. Sie tut es noch immer.

Mein Denkfehler: Meine Vergangenheit ist deckungsleich mit der Vergangenheit (m)eines Subs. Nur weil ich mich mit dem Verteidigen meiner Grenzen so schwer tat, darf ich das nicht automatisch allen Subs dieser Welt unterstellen. Ich werde nie eine dieser abgewichsten Frauen sein, die in ihrer Dominanz über Leichen gehen. (Ein schöner O-Ton von Élian, wie ich finde.) Aber ich darf meine Über-Empathie nicht über alles andere stellen. Vor allem nicht über meine eigenen Bedürfnisse als Domme.

Selbst wenn ich jemals zu weit gehe, muss ich darauf vertrauen können, dass man(n) mir Rückmeldung gibt. Dieses Vertrauen muss ich in dem Fall vorschießen. Eine Disziplin, die mir nicht sonderlich gut liegt. Aber was wäre das Leben ohne solche Herausforderungen?

Grenzen und Vertrauen. Darum geht es letztendlich immer, nicht wahr? Das sind nur zwei Seiten derselben Medaille.

Wenn ich mich im dominanten Spektrum bewege, erkenne ich viele Gedanken von damals wieder. Manchmal habe ich das Gefühl, mit mir selbst zu spielen. Es hat einen heilsamen Aspekt, weil ich mich selbst in meiner Submission immer sehr hart bewertet habe. Das, was ein inhärentes Merkmal submissiver Menschen zu sein scheint – die Angst, nicht gut genug zu sein – ist irrelevant geworden. Denn als Domme ist es mir egal, wie hart ich schlage oder wie erniedrigend ich spreche. Es geht um das Echo, das ich hinterlasse. Dessen Tiefe hat rein gar nichts mit objektiven Kriterien zu tun.

Wange an Wange zu atmen und sich der Stille hinzugeben, die ein Machtgefälle mitunter erzeugt – das zählt für mich. Oder zu spüren, wie mein Gegenüber Schritt für Schritt in das wohlige Nichts eintritt, das ich ihm mit meinen Berührungen eröffne.

Es ist, als ob ich plötzlich auf die andere Seite des Venezianischen Spiegels gelaufen wäre. Ich sehe mich selbst. Ich sehe meinen Sub. Ich sehe die jeweiligen Spiegelungen.

Ein ganz und gar beeindruckendes Spiel.

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