Bei „naturdevot“ handelt es sich um einen Begriff, der mir immer wieder begegnet und den ich mit jedem Mal schrecklicher nichtssagender finde.

Die erste Frage, die ich mir stelle: Wenn es naturdevot gibt, gibt es dann auch kunstdevot?

Menschen, die den ersten Begriff verwenden, unterstellen indirekt, es gäbe verschiedene Qualitäten der Devotion. In dem reinen Ausdruck „naturdevot“ steckt noch keine qualitative Wertung. Wenn wir jedoch den Gegensatz „kunstdevot“ betrachten, wird die Wertung deutlich: Etwas „natürliches“ ist wertvoller als etwas „künstliches“. „Natürlich“ – das ist gottgegeben, rein und irgendwie echter.

Nur was verbirgt sich dahinter?

Wenn ich mich mit anderen darüber unterhalte, bekomme ich manchmal die Antwort: „von Natur aus devot“.

Jetzt frage ich mich, ob Menschen, die nicht von Natur aus devot sind, länger als eine D/s-Session durchhalten. Ich behaupte: Genauso wenig, wie ich jemandem Hetero- oder Homosexualität beibringen kann, genauso wenig kann ich jemandem das Devotsein beibringen.

Selbst wenn die eine Sub ihre Devotion erst mit 50 Jahren entdeckt, die andere dagegen schon mit 20 – von Natur aus devot sind sie (für mich) beide.

Gerade sehe ich das Gesicht eines Mannes vor mir, der sehr stolz mitteilte: „Mit der ging das halt. Die war naturdevot.“ Auf die Nachfrage, was „das“ denn genau gewesen sei, folgte eine bestimmte Praktik, die hier nichts zur Sache tut.

Geht also die „Naturdevotion“ weiter als die durchschnittliche Devotion?

Ein Bloggerkollege hat kürzlich einen Artikel zu der damit verknüpften Mentalität veröffentlicht: Höher, schneller, weiter. Man könnte ihn umbenennen in: Höher, schneller, devoter.

Es hat viel mit unserer heutigen Auffassung von Sexualität zu tun, dass wir in Qualitätsskalen und -abstufungen denken. Ich bekomme nicht selten die Frage gestellt, was ich im Bett alles mache oder wie versaut ich denn sei. Es scheint – gerade in Bezug auf den weiblichen Körper bzw. das weibliche Sexualverhalten – eine Abstufung zu geben, was die Qualitäten der Frau angeht.

In Bezug auf männliche Subs habe ich den Ausdruck „naturdevot“ beispielsweise noch nie gehört.

Die angesprochenen Qualitätsabstufungen sind das, was mich an dem Begriff so sehr stört. Sie bringen in einen Komplex, der dem reinen Spaß von zwei oder mehr Menschen dienen soll, eine Komponente der Bewertung. Wie beim Schulsport: Sport sollte Spaß machen. Wenn wir jedoch Noten und Bewertungen einfließen lassen, entsteht plötzlich für alle massiver Frust.

Kritiker könnten nun äußern, dass bestimmte Praktiken oder ein bestimmter Grad der Devotion für deren Vergnügen maßgeblich seien. Um das klarzustellen: Ein für mich gutes Sexleben ist ebenfalls mit gewissen Praktiken verbunden. Ich würde zwar sagen, dass die grundsätzliche sexuelle Anziehung (für mich) deutlich wichtiger ist, aber ein kleines Repertoire oder zumindest Interesse daran sind mir wichtig.

Es geht bei meiner Kritik an diesem Begriff vielmehr um eine für alle Beteiligten respektvolle Kommunikation. Wenn eine Sub bestimmte Praktiken oder Devotionsgrade in ihrem Sexleben nicht sieht, dann sollte man ihr nicht das Gefühl vermitteln, sie sei weniger wert als eine Person, die diese Dinge für ihren Dom realisiert. Oder noch schlimmer: Sie sei nicht devot genug.

Wer den Begriff „naturdevot“ verwendet, bringt meiner Meinung nach automatische diese Wertung ein. Denn eine Sub wird sich mit großer Wahrscheinlichkeit fragen: Bin ich naturdevot bzw. devot genug?

Dieser Druck führt beim Gegenüber immer zu einer Begrenzung. Er führt dazu, dass man innerlich eng wird und in eine Abwehrhaltung geht. (Das kennen wahrscheinlich vornehmlich Frauen aus den Beziehungen, in denen der Mann starken sexuellen Druck aufgebaut hat.)

Öffne ich dagegen einen Raum, in dem alles stattfinden darf (oder eben auch nicht), dann führt das dazu, dass das Gegenüber weit wird und atmen kann. Erst auf dieser Basis ist meines Erachtens nach die Devotion möglich, nach der sich viele sehnen.

Der erste Schritt ist aber, die Bewertungen und Begriffe wie „naturdevot“ über Bord zu schmeißen.

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Diskussion

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    mrfreeze01 — 27. April 2018 um 15:43

    Ja, sehr schön „naturdevot“… ist ja die BDSM-Schwester von „naturgeil“… Dann gibt’s bestimmt auch „naturdominante“ Männer. Ach ja, da fallen mir auch interessante „natursadistische“ Männer ein. So wie der Herr Assad zum Beispiel. Und wie ist das eigentlich mit der gay-community? Sind die alle „naturschwul“?

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    Karsten Kalbe — 9. Februar 2021 um 01:01

    Das mit 50 und 20 fand ich toll. Denn ich lese jetzt, und nur lese, seit gut 3Mon über BDSM. Ich bin Anfang 40 und das mit sub ist wohl eine dumme, viel zu späte wie auch immer Schnapsidee…

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