Den BDSM-lern muss ich sicher nicht erklären, was ein Safeword ist. Allen anderen lege ich diese Übersicht ans Herz. Was meine eigene Praxis angeht, so habe ich den Ampelcode etabliert. Wobei »rot« zu einem sofortigen Abbruch führt. Hat mein Spielpartner ein eigenes Safeword, ziehe ich dieses selbstverständlich vor. Sollte sich auf einer Party eine spontane Spielsituation ergeben, höre ich auf alles von »Mayday« über »Stopp« bis hin zu »rot«. Kann ein Sub nicht mehr sprechen (bspw. aufgrund eines Gags im Mund), schnipst er mit den Fingern, wenn es ein Problem gibt. Das spreche im Vorfeld so mit ihm ab.

Bisher hat keiner meiner Spielpartner sein Safe- oder Slowword benutzt. Einmal gab es eine Situation, in der ich mir bewusst war, dass ich mit »gelb« spiele. Das war ein achtsamer Tanz direkt an der Klippe, über den wir danach lange gesprochen haben. Dass ich nie mit einem Safeword konfrontiert war, ist nicht zwingend ein Qualitätsmerkmal. Es könnte genauso gut sein, dass ich nicht nahe genug an die Grenze meines Subs gehe. (Die Frage ist, ob ich das muss.) Oder dass ich ihm das Gefühl vermittle, er müsse meine Behandlungen um jeden Preis aushalten, um mir zu gefallen. Es kann viele Gründe haben. Vor gut zwei Jahren hatte ich ein Gespräch mit einem Dom, der mir sagte, er gehe während der ersten Sessions absichtlich mal zu weit, um zu testen, ob seine Sub die Klarheit und Stärke besitzt, ihr Safeword im Ernstfall zu benutzen. Auch ein interessanter Ansatz.

Safwords sind im BDSM immer mal wieder Streitthema. Es gibt die Gruppe, die vehement darauf besteht und für die ein Safword zum SSC gehört. (Dazu zähle ich mich.) Dann gibt es die andere Gruppe, die der Meinung ist, die Empathie einer/eines Dom würde das Safeword ersetzen. Oder – als Steigerung dessen – die ganz bewusst Spiele erleben wollen, aus denen es (theoretisch) kein Entkommen gibt.

Ich halte das für eine sehr theoretische Diskussion. In der Praxis werden selbst die Safeword-Verzichter interne Codes etabliert haben, die zum Abbruch oder zu einer Verlangsamung führen. Das können Blicke sein, ein veränderter Atemrhythmus oder eine bestimmte Bewegung. In Beziehungen, die schon länger existieren, hat man sich im wahrsten Sinne des Wortes eingespielt. Da wird aus »mein Dom kann alles mit mir tun, weil wir ohne Safeword spielen« schnell mal ein »aber eigentlich weiß er, dass ich nicht mehr kann, wenn XY eintritt«.

An der Stelle kommt meine persönliche Meinung dazu ins Spiel: Bei aller Empathie, die ich besitze, kann ich niemals zu 100 Prozent in den Kopf meines Subs eindringen. Mir einzubilden, ich besäße diese Fähigkeit, ist Selbstüberschätzung. Davor hüte ich mich.

Ich weiß, dass sich viele Menschen nach einem Gegenüber sehnen, der/die sie vollständig »lesen« kann. In einer Partnerschaft keine (verbale) Kommunikation zu brauchen, ist ein legitimer und gleichzeitig ein sehr unrealistischer Wunsch. Die Frustration ist meistens vorprogrammiert. Es ist schön, wenn alles Hand in Hand läuft; wenn alles fließt. Es fühlt sich weich und warm an, wenn man sich nicht erklären und um nichts bitten muss. Ich kenne dieses Gefühl. Es ist schön, weil selbst ich als Domme dann für einige Momente den Kopf ausschalten kann.

Gerade weil es so schön ist, ist es ein trügerischer Zustand. Womöglich kommt irgendwann der Punkt, an dem der erste Fallschirm nicht aufgeht. Sprich: ein Punkt, an dem meine Empathie versagt, weil ich – Achtung! – nicht perfekt bin. Dann braucht mein Sub einen zweiten Fallschirm – sein Safeword. Es gibt Fallschirmspringer, die während ihrer gesamten Laufbahn nie diesen zweiten Fallschirm gebraucht haben. Trotzdem bestehe ich darauf, selbst wenn bisher keiner meiner Spielpartner diesen Sicherheitsmechanismus gebraucht hat.

Manchmal hatte ich sogar das Gefühl, einem Sub sei das Safeword total unwichtig und er würde am liebsten darauf verzichten. Auf Bitten dieser Art habe ich mich nie eingelassen. Auf dem Papier gab und gibt es immer eins.

Ich bin da ein gebranntes Kind. Die Doms meiner Vergangenheit waren etwas nachlässig, was Safewords angeht. (Um es vorsichtig auszudrücken.) Das führte bei mir dazu, dass ich großen Wert auf Grenzen lege. Ich bin nicht auf der Suche nach Grenzenlosgkeit oder gar Tabulosigkeit. Der Kick, der mit dem vollständigen Exzess einhergeht, hat immer Nebenwirkungen. Letzlich ist BDSM ein permanentes Abwägen zwischen erwünschten und unerwünschten Auswirkungen auf die eigene Gefühlswelt. Diese Entscheidung kann ich als Dom nicht alleine treffen. Ein Sub muss (in meinen Augen) seinen Teil dazu beitragen, dass die Balance stimmt. Eines der finalen Instrumente hierfür ist das Safeword.

Und wie ich weiter oben schon erwähnt habe: Diese Diskussion findet zu großen Teilen nur in der Theorie statt. Die Safeword-Gegner haben non-verbale Codes und Reaktionen, an denen sie sich orientieren. Die Safeword-Befürworter sind in aller Regel keine empathielosen Steine, die erst bei einem gewinselten »rot« checken, dass die Spielsituation nicht mehr stimmig ist.

Nur hüte ich mich als Dom davor, in die Nähe eines gottesähnliches Wesens gerückt zu werden, das vollständigen Einblick in die Psyche ihres Subs hat. Diese Erwartungen kann und will ich nicht erfüllen und wer eine Beziehung oder Session auf dieser Basis wünscht, den muss ich abweisen. (So gut sich ein solches Angebot für mein Ego auch anfühlen mag .)

In einem Punkt kann ich die Safeword-Kritiker verstehen. Im Endeffekt sorgt dieser Sicherheitsmechanismus dafür, dass die Macht einer/eines Doms eingeschränkt wird. Das letzte Wort hat der/die Sub. Wer sich absolute Hingabe wünscht, dem ist das Safeword streng genommen im Weg, weil es dem/der Sub immer einen Ausweg bietet. Doch da sind wir wieder mitten in der Grundsatzdiskussion. Wie viele Rechte räume ich einer/einem Dom ein? Wie weit darf jemand in mein submissives Königreich eindringen? Welche Auswirkungen hat eine vollständige Übereignung? Das sind Fragen, die man mit sich selbst ausmachen muss und die man (hoffentlich!) nicht auf die leichte Schulter nimmt.

Ich wehre mich jedoch vehement dagegen, wenn BDSM-Praktizierende das Bestehen auf einem Safeword als mangelnde Empathie bzw. mangelndes Vertrauen auslegen. Oder wenn die absolute Hingabe ohne Sicherheitsmechanismus als Königsdisziplin o. ä. bezeichnet wird. Das setzt in meinen Augen falsche Anreize und öffnet die Tore für Manipulationsversuche. Beispielweise: »Wenn du mir wirklich vertraust/mich wirklich liebst, brauchst du kein Safeword.« Oder: »Echte Hingabe gibt es nur ohne Safeword.«

Es kommt nicht selten vor, dass gerade Subs, die Probleme mit ihrem Selbstwert oder ihrem Stellenwert (innerhalb der Beziehung) haben, auf solche Manipulationen anspringen. Eine destruktive Beziehung, in der der eine Partner dem anderen permanent etwas beweisen muss, ist da fast vorprogrammiert. Ich sage nicht, dass das immer so sein muss. Ich möchte nur für bestimmte Kommunikationsmuster sensibilisieren. Wenn Paare individuell passende Absprachen treffen, ist das nicht meine Angelegenheit.

Es scheint ein weit verbreiteter Charakterzug von Subs zu sein, sich mit anderen Subs und deren Belastbarkeit zu vergleichen. A hält mehr aus als B und die C ist sogar so eine hingebungsvolle Sub, dass sie kein Safeword mehr braucht (oder will). Das Safeword oder besser gesagt der Verzicht darauf lässt einen in der Hierarchie nach oben rücken. Zumindest ist das mein Eindruck, wenn ich manche literarischen Ergüsse dazu lesen. Doch auch ich als Dom bin vor diesem »Wettbewerb« nicht gefeit. Wäre ich empathisch genug, würde ich schließlich ohne Safeword spielen. Oder nicht?

Diese Diskussionen sind sinnlos, denn ich wehre mich gegen die Existenz einer solchen Hierarchie. Weder bin ich bereit, mich in diese Matrix einzuordnen (oder einordnen zu lassen), noch möchte ich, dass sich meine Spielpartner permanent vergleichen.

Zum Abschluss meiner Ausführungen möchte ich gerne noch eine Passage von Gentledom zitieren, der die rechtliche Situation des Safeword-Verzichts beleuchtet hat:

Der § 228 StGB regelt aber, dass bei dem Vorliegen einer wirksamen Einwilligung keine Strafbarkeit vorliegt. Die Gesetzeslage sieht jedoch zwingend vor, dass die Einwilligung frei widerruflich sein muss. Beim Metakonsens ist genau dies nicht gegeben. Ob damit bereits die Einwilligung unwirksam ist, oder ob lediglich die erste Handlung, bei der Sub widerrufen will, hier ausschlaggebend ist, kann nicht sicher gesagt werden.

Egal wie man es sieht, im Gegensatz zum Zivilrecht (§ 185 BGB), ist eine nachträgliche Genehmigung im Strafrecht bedeutungslos. Ein intensives metakonsensuales Spiel ist daher für den dominanten Part (so gut wie) immer strafbar. Für den devoten Part liegt hingegen keine Strafbarkeit vor, da dieser das Opfer ist.

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